Rudimental Workout
Vergleicht man das gemeinsame Musizieren mit verbaler Kommunikation, ist das Schlagzeugspielen die Sprache, in der wir uns als Drummer ausdrücken. Rudiments die jeder einzelne von uns nutzt, selbst wenn er es nicht bewusst tut, oder gar davon weiss, sind die kleinsten Bausteine, also die Buchstaben und Silben, aus denen wir Wörter bilden.
weiter lesen...
Diese Art der Beschreibung habe ich mir weder selbst ausgedacht, noch ist sie neu, allerdings verdeutlicht sie wie intuitiv unser Umgang und somit auch unser Üben von Rudiments aussehen sollte. Niemand geht mit einem Wörterbuch in eine Diskussion. Einem Redner, der von einem Zettel abliest, der ihm im schlimmsten Fall sogar von einem anderen Menschen geschrieben wurde, nehmen wir seine Worte auch nicht wirklich ab. Genauso ist es mit dem Schlagzeug spielen - wer nur koordinativ übt und dabei kein Bewusstsein für Melodie, Dynamik und Phrase entwickelt wird auf der Bühne nur schwer Menschen auf emotionaler Ebene erreichen, da er immer klingt wie der Redner, der fremde Worte vorträgt.
Der Schlüssel für den Zugang zum bewussten Phrasieren liegt in der Verbindung von Kopf und Hand. Mit dem Kopf meine ich nicht das interlektuelle Verstehen z.B. des Stickings, sondern das Entwickeln einer Klangvorstellung von dem, was man spielt. Sprich, das innere Ohr weiss Millisekunden vor dem Schlag schon wie er klingen wird. Das bringt uns in die Lage auf der Bühne musikalische Entscheidungen zu treffen und bewusst zu steuern was wir spielen und nicht anders herum mit dem Ohr unseren Händen zu folgen und zu versuchen das einzuordnen, was die Zwei da grad machen.
Die Brücke zwischen Kopf und Hand ist die Stimme. Vorstellungskraft allein reicht zur Kontrolle nicht aus, denn wir passen unterbewusst nur zu gern unsere Vorstellung dem an, was wir spielen. Das einfachste Beispiel dafür ist das leise und laute Zählen. Zählen wir leise beim Üben merken wir oft nicht das wir uns verspielen, da unser Unterbewusstsein das Zählen dem Spielen anpasst. Zählen wir aber laut, produzieren wir aktiv einen Puls, dem wir unser Spiel unterordnen. Verspielen wir uns fällt der Unterschied zwischen dem gezählten Puls und dem Spiel sofort auf. Genauso funktioniert das bewusste Steuern einer Phrase. „Singe“ ich diese mit, habe ich viel mehr die bewusste Entscheidung getroffen, genau diese Melodie und Schlagfolge zu spielen.
Ob in amerikanischer Jazzmusik oder indischen Konnakols, das „Singen“ von rhythmischen Phrasen und Meldodien ist schon lange großer Bestandteil des Lern- und Kreativitätsprozesses. Mein Ansatz ist also nicht neu, doch ist er in Zeiten, in denen Drumcomputer oft den Job von Drummern übernehmen, oder sogar als Partner auf der Bühne agieren umso wichtiger, da er der Faktor ist, der Musik letztlich zur lebendigen Kommunikation macht.
Linear Phrasing
Wer sich bewusst mit Improvisation und Phrasierung auseinander setzt merkt schnell, dass Übertreibung und harte Kontraste wichtige Mittel sind, Spannung aufzubauen. Das bezieht sich musikalisch auf alle Ebenen. Der harte Wechsel von laut und leise sorgt zum Beispiel für spannende Artikulation.
weiter lesen...
Das bezieht sich sowohl auf die interne Dynamik eines Fills, also die Trennung von Akzenten und Ghostnotes, als auch auf die übergeordnete Dynamik, mit der sich das Fill entwickelt. Den gleichen Effekt bringt der Kontrast von hohen und tiefen Klängen. Der größte Kontrast, der uns hierfür am Set zur Verfügung steht ist der Wechsel von Snare und Bassdrum. Aber genau hier liegt auch die Hürde, die es zu überwinden gilt. Die Integration der Bassdrum in Fills und Solophrasen ist eine große koordinatorische Herausforderung, aber sie verleiht dem Spiel auch musikalisch eine ganz neue Klangdimension.
Beim Üben ist es das oberstes Ziel, Hände und Füße in einen rhythmischen Fluss zu bekommen. Dabei gibt es zwei übergeordnete Methoden: zum Einen das Anspielen von Akzenten mit der Bassdrum und zum Beispiel einem Crash, zum Anderen das Ersetzen von einzelnen Schlägen der Hände durch Bassdrums. Mein Ansatz ist hierbei, in einer ausgewählten Subdivision Gruppen von Schlägen zu bilden, aus deren Kombination ich dann rhythmische Phrasen entwickle. Zum Beispiel ergibt eine Gruppe von vier 16tel Noten, von denen der erste Schlag betont wird einen Viertel Puls. Diesen kann ich jetzt einfach über die Toms verteilen, oder auf einem Crash gemeinsam mit der Bassdrum spielen. Damit bin ich dann schon bei der ersten Variante, bei der ich Akzente mit Bassdrum und Becken anspiele. Ein anderer Weg wäre in der selben Gruppe den letzten Schlag vor dem Akzent durch einen Bassdrumschlag zu ersetzen. Somit bereite ich den Akzent mit dem größtmöglichen Kontrast vor. Die Möglichkeiten hierbei sind unbegrenzt und lassen sich wunderbar auf alle Subdivisionen übertragen.